>> Participatory Budgeting Blog des 49. Bezirks
Im 49. Bezirk von Chicago wird derzeit ein partizipatives Budget – das erste in den USA – erstellt. Die BewohnerInnen des 49. Bezirks sollen darüber entscheiden, wie das ‚menu money’ ausgegeben wird. Das sind Geldmittel in der Höhe von etwa 1,4 Mio. Dollar jährlich, die jeder und jede der 50 Stadträte Chicagos für Infrastruktur-Verbesserungen im jeweiligen Bezirk erhält.
Joe Moore, verantwortlicher Stadtrat des 49. Bezirks im Chicago City Council, hat einen Lenkungsausschuss gegründet, dessen Mitglieder in einer Workshopreihe die Grundlagen für den Participatory-Budgeting-(PB)-Prozess erarbeitet haben und den Prozess begleiten. Der PB Prozess begann im November 2009 mit neun Bezirksteilversammlungen – acht in verschiedenen Bezirksteilen sowie ein bezirksweites Treffen für Spanisch sprechende TeilnehmerInnen. Bei diesen Treffen wurden die Regeln für den PB Prozess vereinbart, erste Ideen für Infrastrukturprojekte gesammelt und VertreterInnen bestimmt, die Projektvorschläge für ihre Bezirksteile entwickeln. Im März 2010 werden in einer 2. Runde von Bezirksteilversammlungen die Listen mit Projektvorschlägen finalisiert. Die VertreterInnen erstellen dann Projektvorschläge für die bezirksweite Abstimmung im April 2010. Alle BewohnerInnen, die älter als 16 Jahre sind, können für bis zu acht Projekte stimmen.
An den Versammlungen nahmen bisher v. a. ältere weiße Haus- und WohnungseigentümerInnen teil, obwohl der 49. Bezirk einer der ökonomisch und ethnisch am meisten durchmischten Bezirke Chicagos ist. Das Team um Stadtrat Joe Moore unternimmt noch verstärkt Anstrengungn, auch VertreterInnen von Minderheiten, Menschen mit geringem Einkommen und Jugendliche zur Teilnahme anzuregen.
In Europa wurden erste Experimente zum Partizipativen Budget 1994 in Grottammare, Italien, 1996 Salford, Großbritannien sowie 1998 in Mönchweiler, Deutschland gestartet. Einen wichtigen Beitrag zur weiteren Verbreitung in Europa lieferte das World Social Forum in Porto Alegre 2001. In den Ländern Spanien, Frankreich und Deutschland sind viele etablierte Verfahren zur Demokratisierung der öffentlichen Haushalte zu finden. Vereinzelt gibt es auch Initiativen in England, Portugal und Polen.
Spaniens größte Stadt mit einem partizipativen Budget ist Cordoba, mit über 300.000 Einwohnern. Der hier eingeführte Bürgerhaushalt ist hinsichtlich der de facto durch die BürgerInnen getragenen Entscheidungskompetenz und der Tatsache, dass es hier vornehmlich um Investitionen und Projekte geht, dem Ansatz von Porto Alegre sehr ähnlich.
In der englischen Stadt Bradford wurde ein Modell umgesetzt, das einen Fonds für Investitionen bzw. für Projekte z.B. im Sozial-, Umwelt- oder Kulturbereich vorsieht. In einem von der lokalen Verwaltung relativ unabhängigen Gremium wird über die Vorschläge gemäß einer gemeinsam entwickelten Prioritätenliste entschieden.
Die Ansätze in Frankreich und Deutschland haben ihre Gemeinsamkeiten in einem stärker konsultativen Charakter. Die Entscheidungskompetenz liegt hier stärker bei der Verwaltung, die auch eine Abstimmung und Hierarchisierung der Vorschläge vornimmt. Darüber hinaus steht in der französischen Stadt Bobigny die Rechenschaftslegung durch den Bürgermeister bei öffentlichen Versammlungen in den Stadtteilen stärker im Vordergrund.
In Deutschland wurde das Modellprojekt „Kommunaler Bürgerhaushalt in Nordrhein-Westfalen" in Kooperation von Landesregierung und Bertelsmann-Stiftung initiiert. Als Projektgemeinden wurden Anfang 2001 die Städte Castrop-Rauxel, Emsdetten, Hamm, Hilden, Monheim a.R. und Vlotho ausgewählt. Hier wurden verschiedene Instrumente und Modelle erprobt, die in einem Leitfaden Hinweise zur weiteren Umsetzung geben sollen. Weitere Anwendungen fanden beispielsweise durch die 2003 beschlossene Neuordnungsagenda 2006 in Berlin statt. Für die Bezirke Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf sowie Mitte wurde eine Partizipative Haushaltsplanaufstellung, -entscheidung und -kontrolle beschlossen.
Zum Ablauf der BürgerInnenbeteiligung im Rahmen der Budgeterstellung lesen sie mehr beim Beispiel Berlin Lichtenberg.
Die erste große Stadt in Deutschland, in der ein Bürgerhaushalt gestartet wurde, ist Köln. Im Herbst 2007 wurden KölnerInnen erstmalig dazu aufgerufen, Vorschläge und Anregungen einzubringen, wo ihre Stadt sparen und wofür sie ihr Geld ausgeben soll. Die Themen "Sport", "Straßen und Wege" und "Grünanalgen" standen im Mittelpunkt des Bürgerhaushaltes. Lesen Sie mehr über den Kölner Bürgerhaushalt hier.
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Weiterführende Information zu Beispielen der Umsetzung partizipativer Haushaltspolitik:
>> Frankreich (Bobigny, Arcueil, St. Denis)
>> Großbritannien (Salford)
>> Griechenland
Deutschland:
>> Köln
>> Rostock
>> Bonn
>> Emsdetten